Griechischer Satz von Euripides

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Griechischer Satz von Euripides

Beitragvon al-iksir » Fr 1. Feb 2008, 13:31

Hallo liebe der griechischen Sprache Mächtigen,

würde eine kleine Übersetzungshilfe für folgenden Satz (Euripides, Herakles) benötigen:

[unicode]????????? ??? ????' ??' ??????? ????[/unicode]

oder so: existatai gar pant' ap' allêlôn dikha

"denn alles verändert sich beim gegenseitigen entzweien"

wäre die wörtliche Übersetzung meiner Bittstellerin, welche ich nicht korrigieren kann, da mein Griechisch zu verrostet ist.

Googeln führt einen zu diesem:
http://en.wikipedia.org/wiki/At_Swim-Two-Birds

"for all things change, making way for each other"

Aber was soll das bedeuten? In welchem Zusammenhang wird das gesagt?

Danke,
al-iksir.

Edit: offenbar bin ich nicht in der Lage, griechische Buchstaben zu verwenden - das Zitat findet sich auch unter dem angegebenen Link im unteren Teil des Artikels.
al-iksir
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Beitragvon consus » Fr 1. Feb 2008, 15:22

Servus, al-iksir!
Mein Deutungsvorschlag mit Berücksichtung der Sätze, die man vor dem Zitat bei Euripides liest.

εξίσταται γάρ πάντ' απ' αλλήλων δίχα
> Es verändert sich nämlich alles wechselseitig entzwei (auseinander).

Terenz sagt im Eunuchus (v. 276):
Omnium rerum… vicissitudost ( = vicissitudo est).
> Für alle Dinge ist der gegenseitige Wechsel kennzeichnend.

Es ist m. E. eine Formulierung, mit welcher Euripides die vorher zu lesenden konkreten Aussagen, die wohl als Trost gedacht sind, verallgemeinert. Man erinnert sich an die Lebensweisheit “Auf Regen folgt Sonnenschein”, muss aber auch an deren Umkehrung denken.
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Beitragvon Prodikos » Fr 1. Feb 2008, 16:24

inwiefern ist das [greek]απ'[/greek] zu verstehen, das ich als [greek]απο[/greek] deute
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Beitragvon consus » Fr 1. Feb 2008, 16:30

Prodikos hat geschrieben:inwiefern ist das [greek]απ'[/greek] zu verstehen, das ich als [greek]απο[/greek] deute

Diese Frage verstehe ich nicht, o Prodike. Vielleicht gibt es Übermittlungsprobleme bzgl. der griech. Schrift.
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Beitragvon Prodikos » Fr 1. Feb 2008, 16:53

[greek]απο[/greek] hat meines Wissens nach die Bedeutungen von, ab, an, seit, nach (je nach Kontext und Konstruktion)...

Meine Frage war, wie es in der Übersetzung verarbeitet worden ist?
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Beitragvon consus » Fr 1. Feb 2008, 17:07

Mich hat das bei mir auf dem Bildschirm erscheinende Fragezeichen hinter απ irritiert. Man könnte auch übersetzen: voneinander (weg), wie in den spätlat. Wendungen ab invicem separari, differre, discere etc. Entscheidend ist die Erfassung der Reziprozität der hier angesprochenen Veränderungsmöglichkeit.
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Beitragvon juergen » Fr 1. Feb 2008, 17:25

Hier ist m.E. was "doppeltgemoppelt"

apo -> Präp. mit dem Genitiv (von weg)
dicha -> nachgestellte Präp mit dem Genitiv (von weg)
allelon -> ist als eine Verdoppelung von allos zu verstehen: "einer des anderen" = gegenseitig; wechselseitig.

Es entfernt sich alles von einem dem anderen weg.

--> Es entfernt sich alles wechselseitig weg.


Verdeutscht ist es vielleicht zu verstehen als: Alles entfernt sich voneinander weg / Alles strebt auseinander.
Zuletzt geändert von juergen am Fr 1. Feb 2008, 17:26, insgesamt 1-mal geändert.
Gruß Jürgen

Achja: meine Übersetzungen sind alle mit großer Vorsicht zu genießen
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Beitragvon al-iksir » Fr 1. Feb 2008, 18:26

Hey!

Danke für alle bisherigen Antworten und Interpretationen.

juergens Version klingt aber ganz anders als die vorherige. Welche ist nun richtig oder gibt es die eine richtige nicht? :?

"Alles verändert sich wechselseitig" (consus)

vs.

"Alles entfernt sich voneinander" (juergen)

ist doch recht verschieden von der Bedeutung her... ersteres interpretiere ich als "es gibt immer Abwechslung" (vgl. auf Regen folgt Sonnenschein) oder "alles ändert sich", zweiteres kann ich nur verstehen, wenn ich an unsere Galaxienbewegung denke. :D

Wie würde man "alles strebt auseinander" in diesem Zusammenhang (Heraklesstelle) erklären?

Grüße,
al-iksir
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Beitragvon consus » Fr 1. Feb 2008, 19:00

Servus, al-iksir!
Denken wir an die Grundbedeutung von εξ-ισταμαι: heraus-treten, dann sich entfernen, aber auch sich verändern.
Der Sinn der Sentenz des Euripides, der übrigens solche Sprüche liebt, erschließt sich m. E., wenn man die vorangehenden Sätze im Text vor Augen hat. Dort heißt es dem Sinn nach: Aus Unglück „tritt“ wieder Glück „heraus“, wie aber auch Glück wieder zu Unglück werden kann; stürmisches Wetter hört auch einmal auf und es wird wieder besser (deshalb mein Hinweis auf das deutsche Sprichwort). Alles, was paarweise gegensätzlich einander zugeordnet ist, kann wechselseitig ineinander übergehen. Sinn des Ganzen wohl: Wenn es dir auch noch so schlimm zu Mute ist, verliere nicht die Hoffnung, denn du kannst mit einer Besserung der Verhältnisse rechnen.
Ich maße mir aber nicht an, ex cathedra zu sprechen!
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Beitragvon juergen » Fr 1. Feb 2008, 19:20

Wir hattes es ja schon öfters: ohne Kontext ist keine sinnvolle Übersetzung möglich.
Ich habe mir leider nicht die Mühe gemacht, den Kontext zu betrachten :oops: sondern bin einfach eher von der Grundbedeutung ausgegangen. - Das kann dan schonmal ziemlich in die Hose gehen. :(
Gruß Jürgen

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Beitragvon Prodikos » Fr 1. Feb 2008, 20:34

So sei euch gedankt.
Ich habe auf den ersten Blick die Wortbedeutung "wechselseitig" für [greek]αλλήλων[/greek] im Wb wahrgenommen und konnte so keine adäquate Übersetzung unter Berücksichtigung des [greek]απο[/greek] bewerkstelligen.
Prodikos
 

Beitragvon juergen » Fr 1. Feb 2008, 22:37

Prodikos hat geschrieben:Ich habe auf den ersten Blick die Wortbedeutung "wechselseitig" für [greek]αλλήλων[/greek] im Wb wahrgenommen und konnte so keine adäquate Übersetzung unter Berücksichtigung des [greek]απο[/greek] bewerkstelligen.

Tja, so wirklich haben wir im Deutschen auch keine Entsprechung des Wortes.....

Im anderen Forumsbereich gibt's ja einen Strang über Besonderheiten in verschiedenen Sprachen. Da passt das wohl rein.
Gruß Jürgen

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Beitragvon Platon » Fr 1. Feb 2008, 23:55

Alles, was paarweise gegensätzlich einander zugeordnet ist, kann wechselseitig ineinander übergehen.


Rem acu tetigisti, amice! :thumbup:
Platon
 

Beitragvon Prodikos » Sa 2. Feb 2008, 10:11

consus hat geschrieben:Aus Unglück „tritt“ wieder Glück „heraus“, wie aber auch Glück wieder zu Unglück werden kann; stürmisches Wetter hört auch einmal auf und es wird wieder besser (deshalb mein Hinweis auf das deutsche Sprichwort). Alles, was paarweise gegensätzlich einander zugeordnet ist, kann wechselseitig ineinander übergehen. Sinn des Ganzen wohl: Wenn es dir auch noch so schlimm zu Mute ist, verliere nicht die Hoffnung, denn du kannst mit einer Besserung der Verhältnisse rechnen.


ergänzend dazu:
cf. Aisop. fabulae 78 [Collectio Augustana]

[unicode]«[...] ἀλλ’, ῶ φίλοι,
οὕτως ἡμας γεγηθέναι δεῖ, ῶς πάλιν, ἐὰν τύχη, χειμῶνος
ἐσομένου.«
ὁ λόγος διδάσκει μὴ σφόδρα ταῖς εὐτυχίαις ἐπαίρεσθαι
τῆς τύχης τὸ εὐμετάβλητον ἐvvοουμένους.[/unicode]

Die Parallelität zu consus' Wetterbeispiel ist in dieser Fabel fast schon zu viel der Ironie.
Prodikos
 


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